Veröffentlicht: 09.03.2023, 11:01
Von: Harald Ruppert
Andreas Thiele hat sich einer Herausforderung gestellt: Der Tierarzt aus Friedrichshafen inszeniert ein Musical. Das ist normalerweise schon schwer genug, wenn die Charaktere auf der Bühne von Menschen verkörpert werden. Wenn an deren Stelle aber Figuren treten, die erst noch zum Leben erweckt werden müssen, wird die Sache noch viel schwieriger.
Unbelebte Figuren werden glaubhafte Charaktere
Diese Figuren in glaubhafte Charaktere zu verwandeln, gelingt dem Figurentheater Ravensburg im Musical „Märchenmond“ aber ausgezeichnet — obwohl die Spielerinnen und Spieler selbst wenig auffallen sollen und alles, was sie ausdrücken wollen, auf die Figuren übertragen müssen, die sie mit ihren Händen führen. Dass sie zur eingespielten Musik von Christian Gundlach zudem live singen müssen, kommt noch obendrauf. Denn Gundlach hat sein Musical nach der gleichnamigen Geschichte von Wolfgang und Heike Hohlbein für menschliche Darsteller geschrieben und die besonderen Schwierigkeiten eines Figurentheaters nicht im Blick.
Der Märchenmond hat nicht nur helle Seiten
Aber Andreas Thiele, Sarah Thiele, Heidrun Clus, Birgit Martetschläger und Ritva Pöntinen bestehen die schwierige Ausgangslage glänzend. „Märchenmond“ erzählt die Geschichte von Kim, dessen Schwester Rebekka bewusstlos im Krankenhaus liegt. Der Traumzauberer Themistokles enthüllt Kim, dass nur er ihren Bann lösen kann. Denn der Zauberer Boraas hält Rebekkas Seele im Land Märchenmond gefangen. Kim muss sie zurückholen — und damit auch ganz Märchenmond retten, das Boraas unter seine Kontrolle bringen will.
Andreas Thiele als gruseliger Zauberer
„Das ist so gruselig“, flüstert ein Mädchen in der ausverkauften Vorstellung ihrem Sitznachbarn zu, als der böse Boraas mit seiner Gesichtsmaske erscheint. Sein dunkles Lachen und seine übermächtige Größe sind eindrucksvoll — nur hier, und auch als Themistokles, schlüpft ein Mensch leibhaftig in eine Rolle: Andreas Thiele selbst.
Fast wie in „Alice im Wunderland“
Boraas und seine Schattenkrieger bedrohen Kim auf seiner Suche nach Rebekka unablässig; und so wird die Suche auch zur steten Flucht. Doch unterwegs gewinnt Kim Freunde: den großmäuligen, aber eigentlich ängstlichen Prinzen Priwinn, den Tümpelprinzen Ado, den brummigen Bären Kelhim und den baumhohen Riesen Gorg. Weil die Abenteurer so grundverschieden sind, bleibt viel Raum für Komik und Humor — fast wie in der alten Verfilmung von „Alice im Wunderland“ mit dem Blechmann, dem Löwen und der Vogelscheuche streiten Kims neue Freunde miteinander. Aber trotzdem brauchen sie einander und mögen sich — was sich am schönsten in den gesungenen Harmonien zeigt, in denen ihre Stimmen sich verflechten. Bemerkenswert ist, dass die Texte dabei akustisch verständlich bleiben.
Die entscheidende Konfrontation lauert im Spiegel
Neben Fotoprojektionen — Burgen und Landschaften, durch die Kim und seine Treuen als Schattenrisse wandern — werden nur wenige Requisiten eingesetzt, die sehr wandelbar sind. Die Kinder im Publikum entdecken das auch: „Vorher war’s eine Höhle, jetzt ist es ein Spiegel“, flüstert ein Junge. Und dieser Spiegel ist die entscheidende Konfrontation: In ihm begegnet Kim dem Bösen, das in ihm selbst lauert...
Starre Gesichter bekommen scheinbar ein Mienenspiel
Die Figurenspielerinnen verstehen ihr Handwerk: Die starren Köpfe der Figuren scheinen mit den wechselnden Situationen auch ihren Gesichtsausdruck zu verändern — ein Mienenspiel, das nur im Geist der Betrachter stattfindet.
Nächste Vorstellung am 26. März
„Märchenmond“ ist ein gelungenes Figurenmusical für die ganze Familie. Dass Familien ein Besuch auch möglich gemacht werden soll, zeigen die günstigen Eintrittspreise von 5 Euro für Kinder und 7 Euro für Erwachsene. Die nächste Aufführung von „Märchenmond“ im Figurentheater Ravensburg (Marktstraße 15) ist am Sonntag, 26. März um 15 Uhr. Karten können ab 12. März reserviert werden unter: www.figurentheater–ravensburg.de